Die Tage von Gezi

Ein Buch, dass man nicht mehr aus der Hand legen möchte

Die Tage von Gezi” ist ein Roman, der sich vor dem Hintergrund der Ereignisse in Istanbul zwischen Ende Mai und Ende Juni 2013 abspielt.
Einmal angefangen zu lesen, fesselt einen Martin Niessens Roman von der ersten Seite an.

Kurz zum Inhalt:
Für die deutsche Architektin Kathrin ist die Türkei zur zweiten Heimat geworden. In der Revolte, die mit dem Protest gegen die Abholzung von Bäumen beginnt und bald weite Teile des Landes erfasst, gerät ihr Leben aus den Fugen. Marc, Reporter eines britischen Magazins, landet bei den ersten Auseinandersetzungen im Gezi Park durch Zufall zwischen den Fronten. Als er dort der jungen Türkin Mine begegnet und Zeuge des brutalen Vorgehens der Polizei wird, verliert er zunehmend seine journalistische Neutralität. Mine trifft an umkämpften Barrikaden auf ihren Mann, einen Polizisten, und muss fortan auch um ihre Ehe kämpfen, die an der tiefen Spaltung der türkischen Gesellschaft zu scheitern droht. Die Tage von Gezi verändern ihr Leben. Und das Land.

Dem Autor ist es nicht nur gelungen, einen realistischen Erlebnisbericht über die Ereignisse im Gezi Park vergangenes Jahr zu verfassen, war er doch zufällig vor Ort, als Ende Mai die Proteste begannen.
Vielmehr beschreibt er auch eine Politik, die eine Gesellschaft tief gespalten hat.
Eingebettet in diese Ereignisse sind äußerst sympatische Romanfiguren, die die Situation alle aus den unterschiedlichsten Perspektiven Erleben. Jeder von ihnen wird durch die Ereignisse gezwungen, sich selbst, sein Leben und seine Einstellung zu überdenken.
Fesselnd, sehr anschaulich und realistisch werden die zunächst sehr friedlichen Proteste der Demonstranten beschrieben, die Atmosphäre der, für einige Tage existierenden Kommune, in der die Menschen im Park zusammensaßen, gemeinsam musizierten, informierten, sich gegenseitig ernährten und halfen.
Dann das gewaltsame Vorgehen der Polizei, man hat das Gefühl, unmittelbar selbst mittendrin zu stecken. Man riecht die Angst, hört die Wasserwerfer, spührt den harten, kalten Wasserstral, hört es krachen und die Schreie der Menschen und die Augen brennen einem vom Tränengas.

Neben all dem nimmt uns Martin Niessen aber auch mit durch die schöne Stadt Istanbul, die er liebt und die er schon seit 20 Jahren bereist und so gut kennt.
Wir erkunden mit den Romanfiguren die Sehenswürdigkeiten von Istanbul, schländern durch die Stadt, mit seinen kleinen, verwinkelten Ecken und schmalen Gässchen und probieren uns durch allerlei Leckereien aus der türkischen Küche.

Erschienen ist das Buch zum ersten Jahrestag. Genau zum richtigen Zeitpunkt, um zu erinnern, was war und was immer noch ist.
Die Menschen haben sich mit viel Mut und viel Einfallsreichtum ihrer Regierung und vor allem der Gewalt der Polizei entgegengestellt.
Dieses Buch ist ein Zeugnis ihres Mutes und ihrer menschlichen Stärke, genauso, wie es die Macht der Gewalt und menschlicher Abgründe aufzeigt.
Das Exempel Gezi Park hat gezeigt, was Demokratie ist und was nicht.
Und dieses Buch zeigt, was guter Lesestoff ist.
Eine ganz klare und unbedingte Leseempfehlung!