Dahinten in der Haide: Roman Dahinten in der Haide: Roman

Dahinten in der Haide: Roman

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Der Südwind strich warm über den Kopf des hohen Haidbrinkes und bewegte die Zweige der Hängebirke, die voll von Blütenkätzchen und jungen Blättern waren, hin und her.

Lüder Volkmann lag längelangs auf dem Rücken, lehnte sich gegen den großen Findelstein und hörte zu, wie der Ortolan in der Birke sang.

Er hielt seine Pfeife abseits und atmete den Geruch der blühenden Postbüsche, den der Wind aus dem Bruche mitbrachte, und den Juchtenduft, der aus dem Birkenlaube kam, tief ein, und ihm war, als sei er noch in den Wäldern von Kanada, wo es im April auch nach Post- und Birkenlaub roch; aber der Ortolan sang da nicht; dort, wo Volkmann getrappt und gefischt hatte, gab es keine Landstraßen.

Er stopfte sich eine neue Pfeife aus dem ledernen Tabaksbeutel, auf dem mit Glasperlen ein Kranz von braunen Bibern und schwarzen Raben gestickt war.

Eine rote Mordwespe, die über seine Hose kroch, zog seine Blicke auf seine Kleidung. »Noch vier Wochen Landstraße und die Tippelkundenkluft ist fertig,« dachte er und lächelte, denn ihm fiel ein lustiger Abend in Berlin ein. Er hatte mit einer großen Gesellschaft in der vornehmen Weinwirtschaft zusammengesessen, die Männer im Frack, die Frauen und Mädchen in ausgeschnittenen Kleidern, und mitten zwischen ihnen war jener sonderbare Mann in dem alten Gehrock, Peter Hille, der Dichter, und der hatte, indem er seine Austern aß, im Gange der Unterhaltung zu seiner Nachbarin gesagt: »Ganz wohl fühlt man sich erst, Exzellenz, wenn man gesellschaftlich nichts mehr zu verlieren hat, sagt Böcklin.«

Lüder Volkmann sah sein Zeug an; er hatte es in Omaha gekauft und die Stiefel in Chikago, und zwar an dem Tage, als er in einer Singspielhalle dem französischen Pferdehändler, der über Deutschland einen schlechten Witz machte, die Champagnerflasche in die Zähne warf, daß der Mann für tot fortgetragen wurde, und als drei andere Franzosen ihm an den Balg wollten, boxte er ihnen das Mittagessen aus dem Leibe. Dann hatte er der Musik zehn Dollar hingelegt, einen Freitrunk für jeden Mann, der eine Gurgel im Leibe hat, bestellt, und die Wacht am Rhein, Heil dir im Siegerkranz und Deutschland, Deutschland über alles spielen lassen, und alle mußten mitsingen, ganz gleich unter welcher Flagge sie geboren waren.

Er mußte hell auflachen, als er daran dachte, welche dummen Gesichter die beiden Engländer gemacht hatten, als er mit ihnen anstieß und rief: »Trinkt, Jungs, auf die deutsche Flott'!« Dann hatte er fünf Dollar hingelegt und gerufen: »Das Flottenlied!« Aber in derselben Nacht hatte sich zuerst das Heimweh an seinen Arm gehängt und ihn nicht eher wieder losgelassen, als bis er an Bord der Anna Rickmers war. Als Kohlenzieher hatte er die Fahrt gemacht; seine tausend Dollar, die er sich in zwei Jahren zusammengetrappt und beieinandergefischt hatte, waren auf dem Asphalt der großen Stadt kleben geblieben.

Er sah auf seine große Hand. Arbeiten, ja, das konnte die, aber sparen, nein! »Herr Doktor, Sie haben eine Ritterhand,« hatte auf dem Hofballe die Herzoginmutter gesagt, »und ich verstehe nicht, daß Sie mit der Feder fechten, statt mit dem Säbel.« Ihre guten alten Augen hatten ihn lange angesehen und dann meinte sie: »Daß Sie nicht von Adel sind!« Er hatte gelächelt. »Bin ich, Euer Hoheit, tausche mit keinem von den Prominenzen hier in dieser Richtung, die fürstlichen Herrschaften ausgenommen; die Volkmanns saßen wohl schon auf ihrem Haidhofe, als Exzellenz Drusus über die mangelhaften Chausseen in Germanien bei Seiner Majestät Augustus submissest Klage führte.« Da hatte sie so herzlich aufgelacht, daß der Leibarzt dem Herzoge sagte: »Hoheit müßten veranlassen, daß der Doktor Volkmann öfter mit Ihrer Hoheit zusammen ist; sie liebt ihn und lachen ist die beste Medizin für ein müdes Herz.«

GENRE
Fiction & Literature
RELEASED
2019
6 October
LANGUAGE
DE
German
LENGTH
139
Pages
PUBLISHER
Library of Alexandria
SIZE
416.6
KB

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