Zur Schuldfrage in Kleists Novelle 'Der Findling' Zur Schuldfrage in Kleists Novelle 'Der Findling'

Zur Schuldfrage in Kleists Novelle 'Der Findling‪'‬

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Publisher Description

Wenn man die Novelle Der Findling von Heinrich von Kleist zum ersten Mal liest und die Handlung unkritisch auf sich wirken läßt, erschrickt man über die Bösartigkeit des jungen Nicolo. Anstatt sich seinen Stiefeltern und ganz besonders seinem Stiefvater gegenüber dankbar zu verhalten, verursacht der Findling einen Tot nach dem anderen, bis schließlich die gesamte Familie Piachi bis auf den alten Piachi- ausgestorben ist. Es scheint nachvollziehbar, daß der Mann, der dem jungen Nicolo einst das Leben rettete und dabei sein eigen Fleisch und Blut opferte, nun zum Sohnesmörder wird und sich obendrein verbittert der Kirche verweigert. Das ist zumindest die Meinung, die der Erzähler vertritt, der eine bürgerlich- sittliche Perspektive repräsentiert.
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich dem kritischen Leser jedoch bald, daß eine derartige Beurteilung nicht ganz angemessen ist. Zu sehr gerät die gesamte Novelle von ihrem Ende her in ein moralisches Zwielicht und damit auch sämtliche Figuren, Vorgänge und Aussagen, einschließlich der auktorialen Wertung.
Ist Nicolo wirklich so böse Und wie verhält es sich mit Piachi
Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts herrschte in der Forschung die Meinung, daß es sich bei diesem ( 1811 verfaßten) Stück um ein noch nicht ausgereiftes Erstlingswerk handele! Begründet wurde dies vor allem mit der uneinheitlichen Erzählperspektive, dem ungeschickten Übertreibungsstil oder auch der fragmentarischen Psychologisierung. Außerdem wurde die Sicht des Erzählers recht unkritisch übernommen, so daß die Handlung der Novelle vor allem als Bewährungsprobe der guten Charaktere vor der Verkörperung des absolut Bösen interpretiert wurde. Man übersah dabei, daß die Erzählperspektive mit der Perspektive des Autors nicht identisch sein muß.
Erst in den siebziger Jahren wurde die eigentliche Struktur des Findling wahrgenommen, nicht zuletzt aufgrund der Erkenntnis über die Uneigentlichkeit des Kleistschen Erzählers und über die wahre Entstehungszeit der Novelle (nämlich im Todesjahr Kleists).
Wenn Nicolo böse ist, wie böse ist dann Piachi Schließlich wird auch er zum Mörder, zum Mörder eines Findlings, welcher nicht als Ersatz fungierte, wie Piachi es erwartet hatte.

GENRE
Professional & Technical
RELEASED
2012
15 October
LANGUAGE
DE
German
LENGTH
30
Pages
PUBLISHER
GRIN Verlag
SIZE
174.8
KB

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