Die Kinder auf dem Abendberg: Eine Weihnachtsgabe Die Kinder auf dem Abendberg: Eine Weihnachtsgabe

Die Kinder auf dem Abendberg: Eine Weihnachtsgabe

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Nachdem ich halb Europa von Gibraltar bis Danemora durchstreift habe, reiste ich in diesem Spätsommer nach der Schweiz, nicht sowol um das Land, als hauptsächlich um liebe Freunde wiederzusehen. Doch kaum hatte ich den Jura überschritten, als das Land selbst, diese großartige, mächtige, reiche Natur, ihren alten unzerstörbaren Zauber über mich übten, so daß mir die Schweiz schöner erschien, als irgend ein Land, das ich je gesehen. Der Eine mag Tyrol vorziehen, der Andere die Pyrenäen; dennoch glaube ich, daß Alle eingestehen werden: eine solche Vereinigung aller Contraste, aller Bedingungen zu einem vielseitigen Leben findet man dort nicht; findet nicht so viel Städte so nah beisammen und in so eigenthümlichem Character ausgeprägt; nicht so viel Punkte auf denen man allen Comfort der Civilisation neben allen Schönheiten der Natur genießt. Wer sich für den Gewerbfleiß und die industrielle Thätigkeit interessirt, gehe nach dem hellen Zürch, dem ernsthaften Basel, dem eleganten Genf; wer für die Cultur des Bodens, nach dem Canton Bern, der ein üppiger Garten ist, oder an den Leman, dessen nördliches Ufer, der Höhenzug des nackten, felsigen Jorat, durch unglaubliche Mühe in ein Rebgelände verwandelt ist. Wen das rastlose Ringen und Treiben der Civilisation, die keine Ruhe kennt, ermattet, der gehe in die milden Felsenthale des Canton Uri oder zu den grünen Wiesen von Unterwalden, oder in das stille Schwytz. Wer die Fremden, die Reisenden beobachten und sich mit ihnen unterhalten und zerstreuen will, suche die Orte auf, wo sie sich vorzugsweise drängen: Luzern, Thun, Interlachen, den Genfer See. Wer die Geschichte liebt, kann durch die Schweiz wandelnd einen lehrreichen Cursus über die Unzulänglichkeit und Vergänglichkeit menschlicher Institutionen machen, bei Realta in Graubündten beginnend, und wenn ihm die gegenwärtigen nicht gefallen, so kann er aus jener Betrachtung den Trost schöpfen, daß auch sie nicht dauern werden: die Römermacht ist verschwunden, die Obergewalt des deutschen Kaisers gebrochen, die Aristokratie gestürzt; – die moderne Demokratie wird auch fallen. Wer am materiellen Wohlbehagen seine Freude hat, etablire sich in irgend einem guten Gasthof, der in der Schweiz eben so leicht, als in Deutschland schwer zu finden ist, und er wird haben, was der Leib nur begehrt. Er wird auch nicht durch den Anblick fremden Elends aus seinem Behagen aufgescheucht werden, z. B. nicht in Genf, wo die Armenanstalten so vortrefflich sind, daß es keine Bettler giebt. So haben Sachkundige mir versichert, und allerdings bin ich dort nie, auch bei wochenlanger Anwesenheit, einem Bettler begegnet.

GENRE
Fiction & Literature
RELEASED
2020
15 January
LANGUAGE
DE
German
LENGTH
15
Pages
PUBLISHER
Library of Alexandria
SIZE
289.5
KB

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