Junge Herzen: Erzählungen für die reifere Jugend Junge Herzen: Erzählungen für die reifere Jugend

Junge Herzen: Erzählungen für die reifere Jugend

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Die Fragerin, ein noch sehr junges, schlank gebautes Mädchen, stand auf der inneren Schwelle der Thüre des großen Bureauzimmers, während der am Schreibpult beschäftigte Herr sich umsah, erhob und der zögernden Mädchengestalt um einige Schritte entgegentrat.

»Womit kann ich dienen?« Der Ton, in dem er sprach, war nicht ermutigend. Es klang daraus etwas von Kühle, etwas von Mißbilligung über die erfahrende Störung. Das Mädchen sandte einen forschenden Blick zu ihm auf. Sie trat dann, wie um sich gegen die eigene Scheu zu wappnen, rasch vor und stand dem Manne gegenüber.

»Ich komme mit einer Bitte, mein Herr!« Sie machte eine Pause, in der sie vielleicht eine ermunternde Entgegnung erwartete; da sie ausblieb und der Mann mit gleich unbeweglichem Ernste vor ihr stand, sah sie nieder und sprach rasch und geläufig weiter. »Der Samariterverein hat beschlossen einen Ball mit Bazar zu arrangieren, dessen Ertrag zum Bau eines konfessionslosen Krankenhauses verwandt werden soll. Ich wollte Sie bitten, mir einige Billette abzukaufen. Ich komme zu Ihnen, weil man Ihnen große Mildthätigkeit nachrühmt. Wie viele Karten wünschen Sie?«

Sie hatte, indem sie sprach, ein Täschchen geöffnet. Sie trat dem Manne etwas näher und blickte, da er nicht sofort sprach, verwundert zu ihm auf.

»Wie viele?« fragte sie nochmals, etwas leiser als zuvor. Ihre Augen begegneten den seinen. Es lag in den stillen ernsten grauen Männeraugen etwas Prüfendes. Er verneigte sich leicht. Seine Antwort kam höflich, aber entschieden:

»Ich muß bedauern. Ich wünsche mich nicht zu beteiligen!«

»Nicht zu beteiligen!« Sie wiederholte seine Worte unwillkürlich, fast mechanisch, und plötzlich stieg es jäh und heiß in ihre Wangen auf. Mit einer unwilligen Geberde verletzten Selbstgefühls warf sie den braunlockigen Kopf zurück. »Mein Herr, es ist eine Wohlthätigkeitssache!« Hatte sie sich getäuscht oder lächelte er ein wenig, ganz wenig? – – Seine Ruhe, sein schlichtes »ich weiß wohl« kränkte sie mehr noch als vorhin sein Bescheid.

GENRE
Fiction & Literature
RELEASED
2020
31 March
LANGUAGE
DE
German
LENGTH
161
Pages
PUBLISHER
Library of Alexandria
SIZE
550.6
KB

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